2/2 | SW Nachwort

schen Gesellschaftsform schon im Schoße der alten kapitalistischen
entstehen, so müssen sich auch die Elemente der neuen Weltan-
schauung schon im Schoße der alten Philosophie bilden, da näm-
lich, wo diese Philosophie den spezifisch kapitalistischen Produk-
tionsverhältnissen ihrer Zeit entspricht. Daher das Bestreben, die
Theorien des dialektischen Materialismus im Zusammenhang mit
denen der spezifisch bürgerlichen Philosophen und mit den philo-
sophischen, psychologischen usw. Anschauungen dieser vorwärts-
weisenden bürgerlichen Theoretiker der Gegenwart zu entwickeln.
Daß dabei die angelsächischen Länder eine besonders hohe Bedeu-
tung erlangen, mag den Nationalstolz der deutschen Leser ver-
letzen, ergibt sich aber zwingend aus der Natur der Sache selbst;
diese Länder sind die führenden Länder der reifsten kapitalisti-
schen Entwicklung, während die deutsche Bourgeoisie, anfangs
durch ihren Tempoverlust (s. n. 213), später vor allem durch das
große Schwergewicht der feudalen und bürokratischen Elemente
in der reinen Entfaltung ihres Klassenseins und ihres Klassen-
bewußtseins gehemmt wurde und nach dem imperialistischen Kriege
in die unfreie Zwischenstellung zwischen einer imperialistischen
und kolonialen Bourgeoisie gedrängt worden ist. Daher ist in
Deutschland die den kapitalistischen Produktionsverhältnissen ent-
sprechende Weltanschauung immer nur gehemmt, gedrückt, mit
Vorbehalten vertreten worden. Daß die Verbindung mit Hegel
weniger stark betont wurde, als dies in der Tradition üblich ist,
liegt nicht allein an der eben gegebenen klassenmäßigen Ein-
schätzung der deutschen Philosophie, die ja nicht ausschließt, daß
die eine oder andere Seite des bürgerlichen Denkens auch in einem
kapitalistisch rückständigen Lande ausgearbeitet werden kann, son-
dern vor allem an der besonderen Fragestellung dieses Werkes,
welche diejenige Seite des dialektischen Materialismus zurück-
treten läßt, für deren Verständnis er an die Hegelsche Dialektik
anknüpft und anknüpfen muß. Überhaupt ist das Gebiet, das von
der materialistischen Dialektik bearbeitet und erobert werden muß,
so umfassend, daß hier nur ein Teil daraus versuchsweise dargestellt
werden konnte. Vor allem die Entwicklung der materialistischen
Dialektik aus den methodischen Schwierigkeiten, in denen sich die
mathematischen, physikalischen, biologischen (und historischen
s. n. 348) Wissenschaften gegenwärtig befinden, fällt fast ganz aus
dem Rahmen dieser Untersuchung heraus; sie wurde schon von
Engels und einigen sowjetrussischen Forschern angebahnt und ihre
weitere Ausbildung ist eine der wichtigsten theoretischen Aufgaben
der nahen Zukunft.

Hamburg, Ende Dezember 1931.